Jungschützen – Jungbrunnen

Jungschützen leben Tradition und sichern die Zukunft

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Der ideologische Geist der Jugendproteste erfasste Ende der 60er Jahre auch unsere Stiftsstadt. Ein Hauch der Bewegung mit ihrem Streben nach mehr Freiheit im Alltag, mit zunehmender Politisierung der Gesellschaft und dem aus gegensätzlichen Wertvorstellungen resultierenden Generationenkonflikt mag auch ein Grund dafür gewesen sein, dass sich junge Männer im Bürgerschützenverein nach mehr Eigenständigkeit sehnten und ihren eigenen Weg gehen wollten. Dies in einem eigenen, losgelösten Verein zu tun, stand jedoch nie zur Diskussion. Eine eigene Formation unter dem Dach des Gesamtvereins sollte es aber schon sein. So entstand unsere Jungschützenkompanie im Rahmen einer Gründungsversammlung am 13. Juni 1969. Walter Bröckelmann war der erste Kommandeur unserer Formation. Heiner Schulze Niehues, inzwischen Ehrenjungschütze, hat als erster Jungschützenkönig seinen festen Platz in unserer Geschichte.

Es ist kein Eigenlob, sondern schlichtweg eigene Erfahrung und die zahlloser ehemaliger Jungschützen: Die Zeit in unserer Kompanie ist ein toller Start in die – oftmals langjährige – „Laufbahn“ eines jeden Bürgerschützen. Denn wir verstehen uns als Einheit und präsentieren uns auch als solche. Jeder Jungschütze verspürt bei uns ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, niemand steht außen vor. So sind es vor allem jugendliche Dynamik, hohe Motivation, Aufgeschlossenheit, Musikalität und nennen wir es einmal Standhaftigkeit, die uns auszeichnen. Wir sind traditionsbewusst eingestellt aber keineswegs tradiert, vor allem aber sind wir engagiert und einsatzbereit, wenn es darum geht, uns bei Planung und Durchführung des Bürgerschützenfestes einzubringen.

Und diese Eigenschaften sollte natürlich jeder Schütze mitbringen, der zu uns stößt. Dazu gehört natürlich Disziplin und mit ihr auch die Fähigkeit, in Reih und Glied zu marschieren. Aber dafür gibt es vor jedem Schützenfest eigens einen Übungsabend.

Übrigens: Wer erst einmal die Uniform eines Jungschützen (in Abgrenzung zum „normalen“ Schützen bestehend aus schwarzer Jacke mit Schulterklappen und Kordel, schwarzer Fliege und Eichenlaub am Schützenhut) angezogen hat, der ist in aller Regel schnell infiziert und verlässt uns nicht so bald wieder.

Daran ändert auch das Aufnahmeritual nichts. Denn die Zugehörigkeit und das erste Bürgerschützenfest beginnt für alle Neuen (wir nennen sie „Muschis“) mit der Taufe. Früher war diese in das Programm des Schützenfestmontags eingebettet. Heute hat sie ihren festen Platz am Schützenfestsamstag und findet alljährlich im Beisein aller Mitglieder bei der amtierenden Jungschützenmajestät statt. Seit einigen Jahren sind uns die Throndamen bei dem Ritual – für alle „Beteiligten“ ein wahrhaft unvergessliches Erlebnis – behilflich, das vorsieht, die Neuen mit ausgesuchten Zutaten garniert in die „heilige“ Jungschützenzinkwanne zu tauchen. Im Anschluss an die Zeremonie wird die Neuaufnahme zusammen mit dem amtierenden Bürgerschützenkönig und der gesamten Throngesellschaft gebührend gefeiert, quasi als Auftakt für den Höhepunkt im Schützenjahr: das Bürgerschützenfest.

Das Festprogramm der Jungschützen unterscheidet sich durch einige interne Programmpunkte von dem der anderen Mitglieder. Gemeinschaft wird bei allen Jungschützen während des gesamten Festes groß geschrieben. Wir bleiben als Kompanie stets zusammen, um gemeinsam schöne Stunden zu verbringen. Unser Stammplatz im Vorzelt ist in jedem Jahr reserviert. Und schon fast zur Tradition geworden ist der Besuch des Milter Fanfarencorps in der Jungschützenrunde, um das Vorzelt gemeinsam für eine kurze Zeit in einen „Hexenkessel“ zu verwandeln.

Höhepunkt des Schützenfestmontags ist für die Jungschützenkompanie das Schießen um die Königswürde der Jungschützen. Nachdem der Hampelmann (bis zum Schuss auf den Adler müssen wir Jungschützen uns noch ein wenig gedulden) gefallen ist, ziehen wir mit Lied, Marsch und geschultertem neuen König zur feierlichen Krönung in das Festzelt. Und die Zeit bis zum „richtigen“ Königsschuss überbrücken wir mit einem gemeinsamen Schnitzel-Essen im Zelt.

Ein weiteres Highlight folgt am Schützenfestdienstag: Während alle anderen Bürgerschützen die Festtage gemütlich ausklingen lassen oder bereits für sich persönlich für beendet erklärt haben, liegt vor den Jungschützen noch der Blinde Polterabend. Diese Tradition beruht auf der am Schützenfestmontag stattfindenden Scheinverlobung des Jungschützenkommandeurs mit einer Frau seiner Wahl. Um diese Verlobung zu feiern (natürlich ohne Frau …), findet tags darauf der Blinde Posterabend statt.

Danach beginnt das lange Warten auf das nächste Bürgerschützenfest. Um die Zeit etwas zu verkürzen, veranstalten wir seit fast 20 Jahren ein „Bergfest“, das genau zur Halbzeit der Wartezeit stattfindet. Eingeladen sind die komplette Jungschützenkompanie und der amtierende König samt Gefolge zu einem gemütlichen Abend mit Spielen und Wettkämpfen. Dabei dient das Bergfest aber schon lange nicht mehr allein dem Frohsinn, sondern auch dem Werben um neue Mitglieder für die Jungschützen und den Gesamtverein.

Dazu ist jeder aktive Jungschütze aufgerufen. Insbesondere aber sehen wir es im Vorstand der Jungschützen als unsere zentrale Aufgabe an, durch Eigeninitiative neue Mitglieder, Einzelne oder auch ganze jugendliche Cliquen, für uns und die Tradition des Bürgerschützen-Vereins Freckenhorst zu begeistern. Bis heute hatten weder wir noch unsere Vorgänger Schwierigkeiten, neue Mitglieder zu motivieren. Und dieser Stellenwert, den wir uns als Jungschützen über 45 Jahre erarbeitet haben, ist die Grundlage für eine gesunde Altersstruktur im Gesamtverein.

Irgendwann hat leider die schönste Zeit immer ein Ende. So geht es auch allen Jungschützen. Denn wir haben die klare Regelung, dass mit 28 Jahren unwiderruflich Schluss ist. Übrigens dekorieren wir den ältesten Jungschützen – und damit den „Anführer“ des „Abschiedsjahrgangs“ – alljährlich mit einer roten Eichel am Schützenhut. Diese Schützenbrüder „entlassen“ wir dann ins große Batallion. Diesen Schritt gehen sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Weinend, weil ihnen ein Stück „Schützenheimat“ verloren geht. Lachend, wegen der vielen schönen und unvergesslichen Stunden im Kreis der Jungschützen.

Den weiteren Werdegang bestimmt ein jeder Schütze für sich. Bei vielen Jungschützen ist während ihrer Zeit in unserer Formation aber eine so große Schützenbegeisterung gewachsen, dass sie sich weitergehenden Aufgaben stellen. Zum Beispiel waren 14 der letzten 20 Könige Jungschütze und ebenso fast 80 % der aktuellen Vorstandsmitglieder. So geben wir Jungschützen der Schützentradition Zukunft. Im besten Sinne des Wortes.

Der Jungschützenkommandeur

Lukas Keßmann

Text von: Björn Maibaum & Dominik Kraß